Die drei Männer im Feuerofen

 

Lobeshymnen werden gerne angestimmt, noch lieber gehört: an der Wiege und an der Bahre, bei Einweihungen und Jubiläen, bei Beförderungen und Pensionierungen, an Festtagen und an Gedenktagen. Anlässe zu Lobeshymnen lassen sich immer wieder finden. Scheinheilig ist, wer behauptet, sie nicht gerne zu hören. Grundsätzlich gilt für Lobeshymnen; schön und gut, wenn sie stimmen; peinlich und ärgerlich, wenn sie verlogen sind.

 

Der Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen ist ein sehr eigentümlicher Lobgesang. Ein mehr als ausgefallener Ort für Loblieder! Ein makabrer Witz: wer hat da noch Lust zu singen? Da geht es doch um das Leben und nicht mehr um das Loben!

 

Doch es ist so: da haben drei junge Männer zu singen angefangen - nicht in einer Siegerlaune, nicht in feuchtfröhlicher Trinkrunde, nicht in Festtagsstimmung. Nein, mitten im Feuerofen! Und wie aus einem Munde: „Gepriesen bist du, Herr, du Gott unserer Väter, gelobt und gerühmt in Ewigkeit." Und dann wird die ganze Schöpfung, alles, was lebt, aufgefordert, in ihren Lobgesang auf den Schöpfer einzustimmen: Sonne und Mond, Wasser und Himmel, Tiere und Menschen. Mit dem immer gleichen Refrain: „Lobt und rühmt ihn in Ewigkeit." Und der Grund für diesen überschwänglichen Lobgesang: Gott hat sie aus der Unterwelt entrissen und aus der Gewalt des Todes errettet. Er hat sie aus dem lodernden Ofen befreit, sie mitten aus dem Feuer erlöst. Das soll einer begreifen!

 

Doch so ungewöhnlich wie der Lobgesang der drei Jünglinge ist auch ihr Schicksal. Drei junge Männer namens Schadrach, Meschach und Abed-Nego sind Geiseln am babylonischen Hof und steigen, weil sie zuverlässig und vertrauenswürdig sind, zu hohen Beamten auf. Aber dann sollen sie ihrem Glauben abschwören. Sie sollen das goldene Götzenbild der offiziellen Staatsideologie und allgewaltigen Staatsmacht anbeten. So wie es in aller Welt und zu allen Zeiten bis heute die brutalen Macher und Machthaber erzwingen. Das ist die Stunde der Bewährung für die drei jungen Männer. Sie weigern sich. Keine Drohung macht sie weich, auch nicht die Androhung, im Feuerofen verbrannt zu werden. Absolute Entschiedenheit! Eindeutige Standhaftigkeit! Das Ende war unaufhaltsam. Sie werden in den Feuerofen geworfen. Und dann geschieht es: als der brutale, aber innerlich längst verunsicherte König in den Ofen hineinspäht, sieht er sie unversehrt in der „Höllenglut" - und bei ihnen den Engel Gottes, der sie behütet. Sie sind gerettet. Am Ende muss selbst der König betroffen bekennen: „Es gibt keinen anderen Gott der auf diese Weise retten kann."

 

Eine atemberaubende Geschichte! Für Zweifler vielleicht haarsträubend. Aber es geht hier gar nicht um ein un­glaubliches Wunder oder um ein überhitztes Spektakel sondern um ein Geschehen -in glühenden Bildern erzählt-, das sich tagtäglich in unserem Leben und in unserer Welt ereignen kann. Wer wollte allen Ernstes leugnen, dass in unserer großer wie auch kleinen Welt immer und überall „Feueröfen“ angezündet werden, um sich gegenseitig „einzuheizen", das Leben zur Hölle zu machen, nicht nur in Babylon und im Rom eines Neros, sondern in Auschwitz und Vietnam, im Irak und Afghanistan und anderen Krisenherden unserer Tage und unserer Zeit? Und das alles aus „völkischen" und „religiösen“ Gründen, aus Habsucht und Herrschaft, aus Mordlust und Menschenverachtung! Eine brennende Frage, auch der Glaubenden: Wie kann Gott das alles zulassen: den Turm Babels, die Gefangenschaft Babylons, den Feuerofen Babylons? Und die vielen größenwahnsinnigen Türme, grausamen Gefängnisse und grauenhaften Feueröfen danach? Es gibt keine Antwort darauf, die uns restlos zufrieden stellt. damals nicht und auch heute nicht. Aber eines wird uns immer wieder an vielen Stellen des Alten und des Neuen Testamentes gesagt: Gott lässt es zu, und er lässt uns doch nicht im Stich! Er tut etwas, womit wir nicht rechnen. Er ist auf eine Weise nahe, wie wir es nicht für möglich halten. Wir müssen in das Feuer hinein, aber wir gehen durch das Feuer hindurch. Wir werden vor dem Feuer nicht bewahrt, aber wir werden aus dem Feuer gerettet. Mag uns das Wasser bis zum Hals stehen, wir werden nicht ertrinken. Wenn Gott das unbestreitbar bewiesen hat, dann an seinem eigenen Sohn. Auch er musste in den „Feuerofen" von Angst und Verlassenheit, von Not und Tod - und kam wundersam heraus. Mit Jesus geht Gott selbst ins Feuer hinein. Er geht für uns durchs Feuer.

 

Das kann Trost und Ermutigung für uns sein. Die Geschichte der drei Jünglinge kann ein Wort sein, das uns nicht Sand in die Augen streut, sondern ehrlich die Augen öffnet. Wissen wir doch: kein noch so sprühendes „Feuerwerk", kein noch so gut gemeinter „Feuereifer" können uns die großen und kleinen Feueröfen vergessen lassen. Sie werden weiter brennen in dieser Welt und in unserem eigenen Leben. Und jeder von und kennt seine eigenen Feueröfen am besten. Gerade deshalb kommt alles darauf an, dass wir uns in Gottes Hand und von seinem „rettenden Engel" beschützt und bewahrt wissen. Mitten im bedrohlichen und tödlichen Inferno dürfen wir immer noch „Feuer und Flamme" sein für unseren Gott, der uns führt und die Treue hält bis zum Ende. Wir sind eingeladen zu einem solch „gläubigen Trotz" und zu einem solch hoffnungsfrohen „trotz allem".

Text: Ferdi Bruckes